28. März 2011

Hallo großer, roter Drache!

Ronny in Seoul – nein wohl eher im Kommunikations-Nirwana Hangzhou. Na gut ich muss zugeben, dass die Schuld der elektronischen Inaktivität weniger der chinesischen Telekom zuzuschieben ist, als dass wir nicht in der Lage waren, die chinesischen Schriftzeichen im WLAN-Routermenü (der Kasten, der das Internetkabel in Funkwellen umwandelt) zu verstehen. Doch die Rettung vor der totalen Desozialisierung war nicht weit entfernt, sodass mir ein chinesischer Kollege beim Entziffern der Hieroglyphen beiseite stand. Schließlich dauerte es noch ein paar weitere Tage bis ich endlich wieder Zugang zu Facebook, dem Blog und diversen anderen Seite, wo man seine positive Meinung über China äußern könnte, hatte.

Letztendlich bin ich aber wieder mit super schneller 56k/s Verbindung (Verkehrstau gibt es in China nicht nur auf den Straßen) im Internetzeitalter angekommen und kann meine Eindrücke der Welt offenbaren.

Mit Blick in Richtung Osten wünschte ich mir aber dennoch keinen Internetzugang zu haben, denn sonst hätte ich von der misslichen Lage Japans nichts erfahren. Entweder den chinesischen Kollegen scheint die heikle Situation nicht ernsthaft zu interessieren oder ihre Medien setzen ihnen jeden Tag die rosarote Brille von neuem auf. Ich muss zugeben, dass ich mir auch solch eine Brille zugelegt habe. Sie heißt Jod und lässt die Welt auch voller Heil und Freude erscheinen.

Doch bevor ich die Uhr noch einmal zurückdrehen möchte, sehe ich gerade einen chinesischen Handwerker vor mir. Ich muss sagen, er ist nicht der schnellste aber dennoch im Hinblick auf die Ressourcen einer der nachhaltigsten. Blätter und IPADS waren gestern, er schreibt und malt den Aufriss seines Werkes einfach auf seinen Arm. Überseht mit unzählig vielen Zahlen und Linien hat er so seine Anforderungen immer im Blick. Clever, clever diese Chinesen. Gut, dass nebenbei die Klimaanlage mit der Energieeffizienzklasse 5 den Raum erwärmt (oder es zu mindest versucht, aber dazu später mehr), sonst hätte China sicher schon längst den Nachhaltigskeitspreis verliehen bekommen.

Doch wie dem auch sein. Meinen Beitrag zur Klimaerwärmung habe ich jedenfalls mit dem 10-stündigen Flug von Amsterdam nach Hangzhou geleistet. Da die Maschine zu mindest von den Passagieren her unterbesetzt war, gab es genügend Platz, um es sich in der Holzklasse gemütlich zu machen. Eine Rückmassage gab es kostenlos dazu. Die ganze Nacht lang. Ein Traum? Nein viel mehr ein kleiner Junge, der es seinem schlafenden Bruder nicht gleich machen wollte und lieber seine Kräfte an meinem Sitz ausließ. Ein schlafloser Vorgeschmack auf die kommenden Nächte in Hangzhou.
Dann ging es mit dem Taxi auch schon zum Appartement. Der Fahrer hatte zwar keine Ahnung, wo der Block liegen sollte, fuhr aber vorsichtshalber schon einmal los. Seine Unsicherheit sollte mich demnach nicht veranlassen, dass Fahrzeug zu verlassen. An der Wohnung angekommen, wurde ich freundlich vom Hausverwalter hereingelassen. Sollte irgendwann einmal kein Smog in Hangzhou sein, dann hätte man aus dem 24 Stock sicher einen sehr guten Ausblick. Aber zu diesem Erlebnis sollte es gar nicht mehr kommen. Das mir zugeteilte 6m² Zimmer hatte seine Fenster direkt auf eine 6 spurige Straße gerichtet. Für Fenster mit Schallschutz ist der Lärm sicher kein Problem. Für Fenster, die mit Papier nur die Transparenz ungemein haben, eine schier unmögliche Aufgabe. Also nichts wie weg und ab in den 17. Stock in einem anderen Gebäude. Der Ausblick in die graue Nebelwand bleibt mir erhalten. Der Lärm dank Baustelle auch. Doch die Aussicht auf ein großes, ruhiges Zimmer nebenan, ließ die Sorge um die nächtliche Ruhe verblassen.





Der erste Arbeitstag war schnell vorüber. Es gab zwar noch keine Aufgaben aber eine kurze Vorstellung der 6 Kollegen. Alle wirken sehr freundlich aber auch zurückhaltend. Etwas anderes habe ich aber auch nicht erwartet. Schon gar nicht von einer Kollegin, die mir nicht einmal bis zur Brust reicht. Am Mittag ging es geradewegs in die Kantine. Schon der Geruch verblies jeglichen Hunger. Die erste Wahl ging anschließend auch gleich wieder zurück zum Koch. Ich glaube, er hatte einen schlechten Tag und sich mit dem Salz vertan. Auch wenn die Worte einen kritisch Eindruck erwecken könnte, so muss ich gestehen, dass ich das Essen mittlerweile gar nicht mehr so schlecht schlecht finde. Da immer nur kleinen Schalen mit Gemüse, Fleisch, Torfu und Reis serviert werden, kann man sich schon mal das ein oder andere Gericht gönnen und die Leckereien herausfiltern. Darüber hinaus kostet ein Schälchen etwa zwischen 10 und 30 cent. Dementsprechend muss man das ein oder anderen verschmähte Essen nicht nachtrauern.
Um dem Jetlag noch etwas entgegen zu wirken, ging es am Abend zusammen mit den anderen Praktikanten in die Mayabar. Nicht nur wegen seiner guten Musik beliebt unter den Ausländern, sondern auch aufgrund der günstigen Preise für ein Glas Bier. Nicht das die fremde Kulturen einen neuen Praktikanten genug schocken könnte, gab es von den Alteingesässenen noch eine Runde Schlangenschnaps spendiert. Nicht lecker aber ein gutes Betthupferl.
Damit ging der erste Tag in China ging zu ende und ich muss sagen, ich hatte verdammt noch mal keine Lust mehr. Lärm, Chaos und Gestank bestimmten die Eindrücke. Nicht einmal die Erfahrung in Korea half darüber hinweg. Kulturschock bleibt Kulturschock.

Doch bereits am zweiten Tag legten sich die Zweifel wieder. Die Wolken verzogen sich und der Chef stellte mich den Teamleitern innerhalb des Werkes vor. Meines Erachtens hätte er sich die einzelnen Namen sparen können, denn ob er nun Wo, Li, oder Zhang heißt – bei der nächsten Vorstellungsrunde waren die vorhergehenden alle wieder vergessen. Was mich viel mehr erstaunte war das Chaos. Das Chaos auf den Straßen war man ja gewohnt. Aber hier in der Produktion war es noch einmal etwas anderes. Die kleinen Transportwagen und Gabelstapler fahren kreuz und quer durch die Halle. Die Hupe ist dabei das wichtigste Ausdrucksmittel, um die eigene Stärke präsentieren zu können. Wenn zwei Fahrer die gleiche Lautstärke fabrizieren, kommt es wie in der Tierwelt zu Rangeleien. Demzufolge kann es schon mal passieren, dass sich die Gabeln der einzelnen Gabelstapler im wahrsten Sinne miteinander verheddern. Unfälle sind damit vorprogrammiert. Dagegen tragen die Fließbandarbeiter mit ihren monotonen Arbeitsschritten fast schon zur inneren Ruhe bei.

Lassen wir die Arbeit Arbeit sein und widmen uns der Stadt Hangzhou (chin. 杭州). Hangzhou (ausgesprochen Hangschow) ist die Hauptstadt der Zhejing Provinz und gehört zu den schönsten Städten Chinas. Das sagen die Chinesen, das sagt die Regierung und das äußerte bereits Marco Polo mit seiner Aussage, dass „Hangzhou die schönste Stadt der Welt sei“. Da wir etwas außerhalb wohnen, konnte ich noch nicht jeden Winkel der mehr als 6 Mio. Einwohner Stadt unter die Lupe nehmen. Hangzhou ist für seine Seide (frühere Anbindung zur Seidenstraße) und dem Anbau des grünen Longjing Tees bekannt. Die Teeplantagen scheinen ein schöner Ort zu sein, um den Frühling genießen zu können. Trotzdem wäre ein idyllisches Bild an dieser Stelle nicht mehr als eine Illusion. Das restliche Gesicht der Stadt wird durch graue Betonbauten, Autos und Baustellen bestimmt. Warum sollte es hier auch anders als im restlichen China sein? Fortsetzung folgt