10. April 2011

Suzhou das Venedig des Ostens



Auch wenn der Werbespruch in der Überschrift sicher übertrieben ist, so sagt dieser Satz doch einiges über die chinesische Mentalität aus.
Chinesen übertreiben gerne. Bei (fast) jeder Beschreibung wird man die Worte, größte, schnellste, oder schönste finden. In den Augen der Chinesen mag es das ja so sein. Doch wer nur etwas über den Tellerrand hinaus schaut, der weißt, dass fast nichts das größte, schnellste oder schönste ist. Warum die Chinesen immer übertreiben müssen, weiß ich nicht. Aber an das eigene Volk lassen sich die se Superlativen sicher gut verkaufen.
Chinesen vergleichen sich aber auch gern mit dem Westen. In meinen Augen hat Suzhou mit Venedig nur sehr wenig gemein, denn dafür müssten es wesentlich mehr Kanäle geben. Aber nicht nur Städte werden verglichen auch sonst werden auf dem „fake markets“ alle Marken kopiert, die aus dem Westen kommen. Der Westen suggeriert gutes, sodass eine Marke die billige Qualität schnell wieder wett macht.
Die Chinesen flanieren durch ihre Straßen und genießen zunehmend ihren Kaffee in Cafés (auf dem besten Weg Deutschland den zweiten Platz hinter den USA streitig zu machen – na gut China hat auch mehr als 10x so viele Einwohner…). Damit zeigt die chinesische Mittelschicht ihre Kultiviertheit und ihr Wohlhaben. Wo in Europa der Kaffee für den ein oder anderen ein Genuss ist, so ist es in China ein soziales Statussymbol, das nur durch die Kopie der westlichen Kultur diese Ausdrucksstärke erfahren hat.
Sich er gibt es noch viele weitere Beispiele, wo die Chinesen gern übertreiben oder Kopieren. Aus der Sicht eines Europäers wäre es viel geschickter, wenn die Chinesen ihre eigene Kreativität spielen lassen und das Kopieren anderer Vorbilder durch eigene Produkte ersetzen würden.
Kommen wir zurück zum Besuch in Suzhou. Der Ort liegt nördlich von Hangzhou und ist in etwa 2,5h mit dem Bus erreichbar.
Gewohnt haben wir in einem kleinen aber feinen Hostel direkt in der Altstadt,

dass für seine alten Gebäude und kleinen Kanälen bekannt ist. Auch wenn die Gebäude für den Tourismus renoviert wurden, so vermitteln sie ansatzweise das frühere Aussehen Chinas.

Nach einem Mittagessen bei einer Art Mc Donalds für Dumplings, haben wir uns entschlossen die Geschichte mit einem Besuch im neumodernen Teil Suzhous hinter uns zu lassen. Am Time Square (wer hätte es auch anders erwartet) gibt es alles was das Herz begehrt. Von Burger, über Pizza bis hin zu Steaks reihen sich die Restaurants aneinander, um den Chinesen das Gefühl zu vermitteln, sie seien in Europa/Amerika angekommen.
Wie zu Hause haben wir uns dann aber doch nicht gefühlt, da die italienische Pizza mit einem sehr dicken Boden serviert wurde und die Cocktails mit Chemikalien nicht nur die Farbe gemein hatte. Doch als wir die Rechnung gesehen haben, kam das Lächeln zurück, denn 1€ für einen Salat mit Shrimps ist nun wirklich nicht zu viel verlangt. Auf der Straße wurde unsere Aufmerksamkeit schnell auf eine Brücke gelenkt. Am Tage noch mausgrau und in der Nacht ein riesiger Leuchtwurm. Die komplette Unterseite war mit Displays ausgestattet auf denen Werbung und kurze Animationsfilme liefen. Ich muss gestehen, dass ich so ein Ausmaß eines Fernsehers noch nicht einmal in Korea gesehen habe. Das bestätigt doch die Vermutung, dass Chinesen kreativ sein können, wenn sie denn nur wollen.
Der restliche Abend wurde durch westliche Bars und Musik bestimmt.
Am nächsten Tag ging es früh raus, um den herrlichen Sonnenschein am Tiger Hill genießen zu können. Ich konnte meinen Augen kaum trauen, aber dieser Park war ruhig, sauber und grün. Adjektive, die ich das letzte Mal in Deutschland verwendet habe. Abgerundet wurde der Ah-, OH-, Mh-Ausdruck durch einen hellblauen Himmel.
Kein Dunst oder Smog weit und breit zu sehen. Herrlich, wenn es doch nur überall so in China wäre. Die Farben blieben aber die Ruhe wurde nach kurzer Zeit durch die chinesischen Ausflügler zerstört. Ruhe ist für Chinesen ein Fremdwort (oder sie sind vielleicht alle taub) und so werden Gesprächspartner am Telefon gern angeschrien oder es wird schief gesungen und gepfiffen. Zu diesem Hörgenuss gesellt sich gern noch das Hochziehen diverser Schleimablagerungen, die dann mit voller Kraft in der Natur entsorgt werden. Das spart Taschentücher, schont die Umwelt und spart unser Geld. Richtig unser Geld, da einem dabei der Appetit so sehr vergehen kann, dass man für die nächste Zeit der Versuchung von Süßem oder ähnlichem leicht widerstehen kann.
Neben dem Venedig ist Suzhou außerdem für seine Gärten bekannt, welche solch eindrucksvolle Namen tragen wie der „Garten des Bescheidenen Beamten“ oder „Garten des Meisters der Netze“. Wir haben wohl eindeutig den Falschen erwischt, da es nichts weiter als ein kleiner Park war, bei dem man Eintritt zahlen musste…
Am Ende des Tages sollte uns ein Taxi nur noch zum Busbahnhof bringen. Das Wörtchen „nur“ dient in diesem Satz als Ausdrucksmittel, dass eine Taxifahrt in China nichts Besonderes ist. Sobald der Fahrer verstanden hat, wo es hingeht, kann man sich gemütlich zurücklehnen und die Augen schließen. Letzteres ist wichtig, um die grauenvollen Fahrkünste nicht mit ansehen zu müssen. Es wird gern die Vorfahrt genommen, falsch herum in eine Straße eingebogen oder andere Autofahrer durch riskante Überholmanöver fast abgedrängelt. Ein Gurt ist auf den hinteren Sitzplätzen überbewertet und so bleibt einen nichts anderes als von deutschen Autobahnen zu träumen. Am Ende erreicht man aber (fast) immer kostengünstig und zügig sein Ziel. Doch das Wörtchen „nur“ hat noch eine weitere Aufgabe in diesem Satz. Es soll außerdem zum Ausdruck bringen, dass es das letzte Hindernis war, dass uns vom Busbahnhof getrennt hat. Das Problem ist nicht die Taxifahrt. Viel mehr ist es das größere Problem überhaupt ein Taxi zu bekommen. Ähnlich wie auch in Hangzhou gibt es zu bestimmten Zeiten fast keine Taxis. Entweder sie sind bereits mit Leuten besetzt, die gerade Feierabend haben oder die Taxifahrer sind auf dem Weg zu ihrer Garage, um die Schicht zu wechseln. Beides fällt so unglücklich zusammen, dass man sich regelrecht die Beine in den Bauch stehen kann. Oder man macht es so wie wir und fängt einfach an zu laufen. Am besten in die Richtung, wo das Ziel vermutet wird. Unsere Richtung war wirklich nur eine Vermutung und sie war gnadenlos falsch. Die befragten Chinesen waren leider auch keine Hilfe, da sie uns in die falsche Richtung geschickt haben oder uns weiß machen wollten, dass das Ziel gleich hinter der nächsten Ecke auf uns wartet. Auch eine Karte konnte uns nicht weiterhelfen, da sich Chinesen darauf nur sehr schwer zurechtfinden. Oftmals wissen sie selbst nicht, wo sie sich gerade auf der Karte befinden. Nach einigen Kilometern und dem Bahnhof bereits in Sichtweite haben wir uns schließlich für einen Bus entschieden. Die Zeit lief gnadenlos gegen uns und wir hofften, dass die Linie direkt zum Bahnhof fährt. Den Gefallen hat sie uns leider nicht getan und so sind wir wie ein Geier um seine Beute um den Bahnhof gekreist. Der Radios wurde immer kleiner und die verbleibende Zeit leider auch. Mit einem Sprint ala Usain Bolt ging es an den Sicherheitskontrollen vorbei. Wie im Film rannten wir mit den Koffern in Richtung Bus und haben ihn am Ende pünktlich erreicht (wir haben uns zwischendurch entschieden einen Bus später zu nutzen, was kein Problem ist, da fast alle 30min ein Bus fährt…)

1. April 2011

Hallo großer, roter Drache! (Teil 2)

Warum sollte es in Hangzhou anders zugehen als im restlichen China? Weil Hangzhou einen See hat, der schöner als die restlichen Seen Chinas ist. Ob das wirklich stimmt, kann ich aufgrund der riesigen Größe Chinas nicht persönlich verifizieren. Wenn man sich aber die Werbung für Hangzhou ansieht, dann kann man von dem Glauben nur schwer abweichen. Der See heißt, wie bereits erwähnt, Xī Hú (Chin. 西湖; englisch "West Lake") und schließt sich direkt an die Innenstadt an. An der ruhigeren Westseite kann man durch einen botanischen Garten spazieren, den See über eine Art Steg überqueren oder durch den Bambuswald schlendern. Da ich das Gebiet in den nächsten Wochen selbst noch erkunden muss, möchte ich an dieser Stelle auf eine detaillierte Beschreibung, welche dann nur von Wikipedia kopiert wäre, verzichten. Kommen wir zurück zur Arbeit, denn schließlich verbringe ich dort mehr als 1/3 meines Tages. Der Geschmack des Essens ist weiterhin auf hohem Niveau und meine Geschwindigkeit, den Reis direkt aus der Schüssel in meinen Mund zu schaufeln, hat rapide zugenommen. Zwar erreiche ich noch nicht die Rekordzeiten meiner Kollegen, aber ich glaube, sie sind froh, dass ich mich an die chinesischen Tischmanieren angepasst habe. Somit bleibt in der Mittagspause immer noch Zeit für einen Spaziergang auf dem Werksgelände. Das sieht dann von außen sicher so aus, als hätten die Knastbrüder Ausgang bekommen. Zum Glück dürfen wir im Gegensatz zu den Gefangenen, das Gelände pünktlich verlassen. Im wahrsten Sinne des Wortes wird der Stift um 16:30 Uhr fallengelassen. Da gibt es kein wenn und aber, denn schließlich müssen einige Kollegen einen der Werksbusse nutzen. An deren Zeitplan muss man sich dann auch halten, kommt doch der Bus für die Leute, die länger bleiben müssen, erst wieder in einer Stunde. Wir Praktikanten sind da etwas flexibler. Unsere Füße bzw. Fahrräder bringen uns die 1,6km zu jeder Tageszeit nach Hause. Ganz idyllisch am Straßenrand einer 6 Spurigen Straße. Eine Ausnahme gab es dann aber doch. Um zum chinesisch Unterricht zu gelangen, haben wir den Firmenbus genutzt. Die vielfältigen Sprachen unserer Welt hatten es mir ja bereits zu Schulzeiten angetan. Nachdem ich mich schon durch zwei europäische Sprachen gequält habe, wollte ich dem ganzen jetzt noch die Königskrone aufsetzen. Um es kurz zu machen. Der König wurde gestürzt, bevor er überhaupt auf dem Thron saß. Nach 10 Unterrichtsstunden waren die Grundlagen gelernt, um den Taxifahrer zu navigieren oder im Restaurant Reis zu bestellen. Das Bier bekomme ich kalt serviert und die Zahlenkenntnis reicht, um mehr als zwei Dumplings (chin. Art von Maultaschen) bestellen zu können. Auch wenn mich nicht einmal meine Kollegen von der Aussprache her verstehen, so habe ich mein Ziel erreicht. Jegliche Konversation die mehr Worte benötigt, ist es entweder nicht wert oder kann auch in der internationalen Zeichensprache geführt werden!

Kommen wir zum letzten Punkt, den es über das Leben in Hangzhou bis dato zu berichten gibt. Vielleicht habe ich es schon erwähnt, wenn ich es noch nicht getan habe oder wenn ich doch schon getan habe, dann als Auffrischung, das Essen ist hier sehr fettig. Deshalb gibt es im Supermarkt das Öl auch gleich im Vorratspack:

Das hat auf der einen Seite zur Folge, dass einige Gerichte neben dem eigenartigen Geruch auch noch unappetitlich aussehen. Auf der anderen Seite ernährt sich davon auch das Hüftgold. Um dem entgegen zu wirken, geht es mehr oder weniger regelmäßig ins Fitnessstudio. Um die Sportlichkeit auf höchste zu betonen, hatten wir die Idee, die 4,5 Km lange Strecke zum Studio mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dennoch macht es einfach keinen Spaß, wenn man ein Fahrrad hat, bei dem das Kniegelenk nicht über den 90° Winkel hinauskommt. Man könnte meinen, dass der Vorgänger das Fahrrad einem Kind weggenommen hat und sich dieses mit einer kaputten Pedale gerächt hätte. Die Pedale habe ich für umgerechnet 60cent inkl. Material repariert bekommen. Doch an der Größe lässt sich leider nichts mehr machen. Somit wird der Drahtesel nur für den Weg zur Arbeit eingesetzt. Zu allen anderen Zielen bringt uns entweder das Taxi oder ein Bus.

An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass die zukünftige Berichterstattung kürzer und bunter ausfallen wird. Das spart dem Verfasser und dem Leser Zeit und gibt die Realität sicher besser wieder als die schnöden weißen Buchstaben.